Gaby Weber
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Prozesse gegen Kanzleramt und Bundesarchiv - Fünfziger Jahre, Kalter Krieg (Januar 2021)

Im Sommer 2020 stellte ich einen Antrag beim Kanzleramt in Akten aus den Jahren 1955 bis 1960. Es geht um den Kalten Krieg, Wiederaufrüstung und die Abrüstungskonferenz im Mai 1960 in Paris. Das Kanzleramt schickte daraufhin die Akten nach Koblenz zum Bundesarchiv, wo sie mir teilweise vorgelegt wurden; etliche Dokumente wurden aber bis zum Jahr 2042 weiterhin geheimgehalten - siehe meinen Film "Ewig Geheim". Diese Klassifizierung wurde vom Kanzleramt vorgenommen, aber das Bundesarchiv muss sich daran halten und ist weisungsgebunden. Auf meinen Einspruch und den Antrag auf komplette Vorlage antwortete das Kanzleramt aber: nur das Bundesarchiv sei zuständig. Und das Bundesarchiv antwortete: Das Kanzleramt habe die Akten zurückgefordert und noch nicht an das Bundesarchiv abgegeben. Also Ping Pong.


Für mich ist eigentlich vollkommen klar, dass das Kanzleramt - wie immer - mauert und dass das Bundesarchiv im Großen und Ganzen für Akten-Öffentlichkeit steht - vor allem wenn es sich um Dokumente handelt, die älter als 60 Jahre (!) sind und ohnehin frei sein müssen. Da aber die juristische Zuständigkeit nicht klar ist, haben meine Anwälte RA Raphael Thomas und David Werdermann gegen beide Klage erhoben. Im Übrigen erinnere ich mich sehr gut an meine Klage gegen das Bundesarchiv vor über zehn Jahren, als ich es wegen Untätigkeit verklagt hatte, weil es nichts dagegen tue, dass amtliche Dokumente in Partei-Stiftungen versteckt werden. Die Sache endete damals vor dem Bundesverfassungsgericht, das zwar inhaltlich ein positives Urteil fällte, aber formal verloren wir damals, weil Karlsruhe meinte, ich hätte nicht gegen das BArch klagen sollen sondern gegen den Eigentümer der Akten, das Kanzleramt. Das habe ich inzwischen nachgeholt, das Berliner Verwaltungsgericht hat aber in Sachen der Kohl-Akten bereits entschieden, dass kein Rechtsanspruch bestehe. Also: egal gegen wen man klagt: vor Gericht verliert man immer. Alle Verfahren sind anhängig.
 

Vor dem Koblenzer Verwaltungsgericht habe ich im Dezember 2021 verloren. Die Richter haben die Geheimhaltung des Kanzleramts akzeptiert und keine weiteren Fragen gestellt. Das kenne ich ja inzwischen schon.

 

Allerdings steht im Koalitionsvertrag der neuen Ampelregierung, dass man die Schutzfrist auf maximal 30 Jahre begrenzen will. Das hört sich schön an. Ich habe an die frischgebackene Staatsministerin für Kultur und Medien, die "grüne" Claudia Roth, in einer Email an ihr Wahlversprechen erinnert und um eine entsprechende Weisung an das Bundesarchiv gebeten. Ich erhielt eine ablehnende Antwort. Hier die Details: telepolis


Mitte Juni 2022 fand vor dem Verwaltungsgericht Berlin ein Erörterungstermin in dieser Sache statt. Das Kanzleramt soll jetzt eine Übersicht über die an Dritte ausgelagerten Akten vorlegen.